Interview mit Martin Schäfer
Am 19. März wird Martin Schäfer im Beisein von Superintendentin Dr. Katrin Rudolph seinen Prüfungs-Gottesdienst feiern. Dieser gehört zum Examen des kirchlichen Fernunterrichts (KFU), mit dem Absolventen die Qualifikation erlangen, selbständig und mit eigenen Predigten Gottesdienste und auch die Abendmahlsfeier zu leiten.
Vor drei Jahren gab es schon einmal einen solchen Termin. Aber damals kam es nicht dazu…
Ich werde nicht vergessen, wie Kantorin Christine Schäfer am frühen Morgen dieses Tages am Pfarrhaus klingelte, um mir zu sagen, dass ihr Mann den Gottesdienst nicht werde halten können…
K.W.: Lieber Herr Schäfer, bitte erzählen Sie uns noch einmal kurz, was in der Nacht vom 6. zum 7. Juni 2020 geschehen war und welche unmittelbaren körperlichen Folgen das für Sie hatte.
M.Sch.: Es war ein Sonnabend, ich war gegen 23 Uhr ins Bett gegangen und vermutlich eingeschlafen. Ich selbst habe keine Erinnerungen. Mein Sohn hörte durch zwei geschlossene Türen irgendein Geräusch, und wollte mal nachsehen. Er fand mich am Boden, erkannte schnell den Herzstillstand und begann mit Herz-Druckmassage. Dabei brachen ein paar Rippen. Er rannte ins Nachbarhaus zu unserem besten Freund. Der ist Oberarzt im Krankenhaus Neukölln. Er war auch noch wach und kam sofort mit meinem Sohn zurück zu mir. – Der Notarzt kam erst nach zehn Minuten. Mein Nachbar fuhr mit dem Krankenwagen mit und brachte mich ins Krankenhaus Neukölln.
Dort begann dann die professionelle Versorgung. Vier Wochen lag ich im Koma. Für meine Familie war das ein Alptraum. Ich wurde künstlich ernährt und beatmet.
K.W.: Als wir von Ihrer Frau wussten, dass Sie längere Zeit im Koma lagen, hatten viele Menschen in unserer Gemeinde große Angst um Sie. Wir haben mit Ihrer Familie gehofft und gebangt, für Sie gebetet. Und dann waren wir unendlich dankbar zu hören, dass Sie erwacht waren.
Haben Sie Erinnerungen daran, wie es war, wieder bei Bewusstsein zu sein?
M.Sch.: Meine früheste Erinnerung war: Ich sehe eine Art graue Mattscheibe. Vermutlich war die da nicht, ich weiß es nicht. Dann wollte ich reden, aber es ging nicht. (Ich hatte einen Luftröhrenschnitt) Und dann: Wer ist die Frau neben meinem Bett? Und überhaupt: Wo bin ich?
Nachdem ich wieder erwacht war, stellten die Ärzte und ich fest, dass durch den vorübergehenden Sauerstoffmangel (es waren mindestens sechs bis sieben Minuten…) mein Kopf ‚gelöscht‘ worden war. Dass mein Gehirn nicht noch mehr Schaden genommen hat, ist ein Wunder.
K.W.: Sie waren dem Tod ganz nah, lagen wochenlang im Koma, mussten wieder Schreiben und Lesen lernen… Und nun halten Sie Ihre Examenspredigt. Das ist kaum zu fassen. Es klingt wie ein Osterwunder.
M.Sch.: Ich musste ALLES ! neu lernen.
Nun, seitdem sind zweieinhalb Jahre vergangen. Meinen Beruf kann ich nicht mehr ausüben, Autofahren kann ich auch nicht mehr.
Aber ich liege nicht auf dem Friedhof, ich sitze nicht im Rollstuhl, ich kann allein S-Bahn fahren. ich kann laufen und meine Rente genießen.
Ja, mein Leben ist anders geworden. – Aber, wie mein Nachbar, der Arzt sagte, 89 % der Leute, die in einem Fall wie meinen zu Hause reanimiert werden, schaffen es nicht.
Also, ein Osterwunder, eine Auferstehung, im wahrsten Sinne des Wortes.
Da ich überlebt habe, hat Gott offensichtlich noch was mit mir vor.
K.W.: Wir haben auch noch manches mit Ihnen vor…
Vor allem sind aber sehr dankbar, dass Sie dieses Wunder erleben durften und nun Ihren Abschluss machen, um als Prädikant zu wirken. Sagen Sie uns doch bitte noch, was Ihnen am Dienst eines Prädikanten besondere Freude bereitet?
M.Sch.: Nun, ich hatte vor sechs Jahren in Zossen einen Lektorenkurs belegt und darf seitdem Lesegottesdienste "lesen".
Aber mit den Lesegottesdiensten ist es so eine Sache: Was ist, wenn die vorgeschlagenen Predigten nicht zur Gemeindesituation passen oder zur aktuellen Weltsituation? Oder nicht zu mir?
Dann muss ich doch mal in der Predigt herumschreiben dürfen. Um eigene Predigten schreiben und ganze Gottesdienste eigenständig feiern zu dürfen, ist eine theologische Ausbildung vorgeschrieben.
Dazu hatte ich vor fünf Jahren eine Ausbildung im KFU begonnen. Und der Gottesdienst am 15.3 ist Teil dieser Ausbildung. Mein Dank gilt dem GKR für das Bereitstellen der Winterkirche (Pfarrhaus).
Ich bin von Kindesbeinen an in einer sehr frommen Familie aufgewachsen. Ich habe in den letzten Jahren in vielen Kirchen des Kirchenkreises Gottesdienste feiern dürfen und das hat mir immer sehr große Freude bereitet.
Deshalb bleibe ich mit aller Kraft dabei, den KFU zu Ende bringen zu wollen. Ich kann nur jedem, der tiefer in Gottesdienst und Kirche eintauchen möchte, eine Lektorenausbildung oder den KFU zu beginnnen.
K.W.: Das kann ich nur unterstreichen.
Wenn Menschen nicht nur die Teilnahme am Gottesdienst als Bereicherung für ihr Leben empfinden, sondern sogar Freude finden, selbst Gottesdienste zu gestalten, ist das ein großer Schatz für unsere Kirche, - Vielen Dank dafür und für das Interview, lieber Herr Schäfer!
Wir freuen uns auf den 19. März und weitere Gottesdienste, die wir gern mit Ihnen erleben möchten. – Bleiben Sie behütet!